Neues bzw. nichts Neues vom Nürnberger Pellerhaus.
Nur die üblichen Floskeln seitens der Expertenschaft, die mit Argumenten, die keine sind, weiter Stimmung gegen eine Rekonstruktion macht.
In der Süddeutschen Zeitung hat eine Denkmalpflegerin dazu kürzlich mal wieder einen Beitrag geleistet. Mal wieder mit den alten Argumenten, über die man nur noch Kopf schütteln kann.
Hier das ganze Interview:
 
Der Kunsthistoriker Dr. Pablo de la Riestra aus Nürnberg hat dazu eine Stellungnahme formuliert und an die Süddeutsche Zeitung geschickt.
Hier der Vorabdruck, für den Fall, dass die Zeitung den Brief ignorieren wird.
 
 
DIE TYRANNEI MODERNER TUGENDEN: DAS PELLERHAUS IN NÜRNBERG

(zum Interview „Zerstörung ist relativ“)  

Am 14. Februar war in der SZ ein Interview zwischen Olaf Przybilla und der Denkmalwissenschaftlerin Carmen Enss in Bamberg zu lesen. Schon der Titel „Zerstörung ist relativ“ ist verstörend, denn das Ausmaß der Urbanizide während des II. Weltkriegs in Deutschland bleibt unvorstellbar. Im Untertitel ist bereits die Rede von Nürnberg: Dass diese Stadt „reicher geworden ist“, weil sie nach dem Krieg auch komplett Neues gewagt hat, verkennt die Dimension des Vernichteten gänzlich. Dies bestätigt nur noch ein weiteres Mal, dass die deutsche Gesellschaft nicht in der Lage ist, die damaligen Zerstörungen als kulturelle Katastrophe zu erkennen. Sollen Ausländer dabei den Deutschen helfen, das zu verstehen? Vielleicht tut es einfach zu sehr weh zu wissen, welch ein weltweit einzigartiger Schatz das alte Nürnberg war, ein Flächendenkmal aus lauter architektonischen Juwelen in unglaublicher Dichte. Ungeachtet dessen, dass das heutige Nürnberg eine sehr schöne und lebenswerte Stadt ist, sind Vergleiche mit dem Vorkriegszustand nicht möglich.

Thematisiert wurde u.a. die eventuelle Rekonstruktion des um 1605 errichteten Nürnberger Pellerhauses, wogegen sich Frau Enss ausspricht. Das Interview beinhaltet heikle Schlußfolgerungen, z.B. „Keine Nürnberger Neu-Renaissance also“. Wenn man eine Rekonstruktion als Neo-Renaissance bezeichnen will, ist das nicht richtig. Der Historismus, ein Phänomen des 19. und frühen 20. Jh. hat mit Rekonstruktionen nichts zu tun. In der Gründerzeit hatte man „im Geiste“ vergangener Epochen gearbeitet, nicht originalgetreu rekonstruiert. Ferner stammt der Kathechismus deutscher Denkmalpflege: „Konservieren, nicht rekonstruieren“ aus einer Zeit, in der das Land noch unversehrt war.

Eine Rekonstruktion wäre nicht, wie Frau Enss sagt,  „alt“ – das ist klar, aber: Was zählt aber ist die Form, nicht das Alter. Wäre die Form, das Bild des Renaissance-Pellerhauses nicht so mächtig, würde es keine Emotionen auslösen. Doch das tut es. Sich Emotionen verbieten lassen, weil sie von „Kopien“ verursacht werden, ist absurd!  Winckelmann, Gründer der Kunstgeschichte, hat Griechenland nur anhand römischer Kopien gekannt! Wäre ein BILD, eine GESTALT  nicht so aussagekräftig, würde man keine Fotos als Identifikation von Personen nehmen und würde man auch nicht Bilder wegen problematischen Inhalts verbieten.

Frau Enss weißt wohl nicht, daß der Verantwortliche des Wiederaufbaus Nürnbergs, Architekt Heinz Schmeißner, die nicht zu Ende geführte Rekonstruktion des Pellerhauses am Ende sehr bedauert hat. Entgegen der Meinung des neulich verstorbenen Oberdenkmalpflegers in München, Dr. Exner, war der Zustand des halb wiederhergestellten Pellerhaus-Innenhofes nicht gewollt, sondern ein Geldproblem der 1950er Jahre.  Die Zeit würde in Nürnberg trotz Wiederaufbau modern bleiben wie die meiste Bausubstanz der Stadt auch. Oder wollen die Anhänger einer ausschließlichen Moderne mit tyrannischen Rekonstruktionsverboten die Faschisten des Antifaschismus werden? – so hätte Pier Paolo Pasolini die Sache richtigerweise auf den Punkt gebracht.

Die Geschichte Deutschlands beginnt mit Karl dem Großen, nicht 1945.

Dr. Pablo de la Riestra, Architekturhistoriker (Irrerstraße 1, 90406 Nürnberg)