Frau Senatsbaudirektorin

Regula Lüscher

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

Fehrbelliner Platz 4

10707 Berlin

Berlin, den 8.11.2020



*Betrifft: Erweiterungsbau der Komischen Oper Berlin-Mitte – Offener Brief des Ortsverbands Berlin von Stadtbild Deutschland e.V.*


Sehr geehrte Frau Senatsbaudirektorin,


nach der kürzlich getroffenen Entscheidung zum Realisierungswettbewerb für die Erweiterung und Erneuerung der Komischen Oper stehen nun die Abstimmungen mit dem 1. Preisträger Kadawittfeldarchitektur zur Ausführungsplanung an. Die jetzt veröffentlichten Pläne lassen befürchten, dass mit dem Erweiterungsbau an der Glinkastraße bereits bestehende städtebauliche Probleme an diesem sensiblen und bedeutenden Ort im historischen Zentrum Berlins noch verstärkt und auf lange Zeit zementiert werden. Der Ortsverband Berlin des bundesweit tätigen Vereins Stadtbild Deutschland e.V. möchte hiermit Vorschläge zur Überarbeitung des Entwurfs mit dem Ziel einer besseren städtebaulichen Verträglichkeit des Erweiterungsbaus machen.


Die Hauptfassade des geplanten Erweiterungsbaus richtet sich nach Westen zu einer erst 1961 über Trümmergrundstücken geschaffenen Straßendurchfahrt zwischen Behrenstraße und Unter den Linden, der Glinkastraße. Somit existiert an dieser Stelle kein historischer Straßenverlauf, der Grundlage einer Wiederherstellung des stadträumlich-baulichen Maßstabs sein könnte. Dennoch weist die bauliche Umgebung, obwohl im Verlauf von Jahrhunderten entstanden, vorbildhafte ortstypische Merkmale auf: eine ablesbare Horizontalgliederung der Geschosse; eine vollständige Traufhöhenbebauung entlang der Grundrisslinien, auch an den Straßenecken; eine einheitliche und durchgehende, an die Umgebung angepasste Gebäudehöhe; ein charakeristischer Fassadenstil im Hinblick auf Materialität und Gliederung. Die naheliegende Vorstellung, dass die genannten Baumerkmale auch bei Neubauten im Denkmalbereich Unter den Linden Berücksichtigung finden sollten, führte seit den 1990er Jahren zur Entwicklung von Gestaltungssatzungen für dieses Gebiet.

Unserer Ansicht nach ist es gerade hier, im Denkmalbereich Unter den Linden, wichtig, dass ein Neubau diese baulichen Charakteristika respektvoll aufnimmt und in eigener Formensprache widerspiegelt – nicht jedoch mit seiner Kubatur den städtebaulichen Maßstab sprengt, ein ungleichmäßiges, teils ungegliedertes Fassadenbild zeigt, und für die Fassade gänzlich ortsuntypische Materialien verwendet. Die zur Glinkastraße hin versetzt angeordneten, teilweise vorspringenden, mehrere Geschosse umfassenden rechteckigen Fassadenelemente des geplanten Erweiterungsbaus würden keine einheitliche Raumkante ausbilden und zeigen ganz unterschiedliche Oberflächen wie Metall-Mesh, Stahlstreben, Glas und Keramik. Die Straßenecken zu Unter den Linden und Behrenstraße weisen durch den zurückgesetzten und deutlich überhöhten, die Höhenlinien der Umgebungsbebauung ignorierenden Glas-Stahl-Aufbau eine dominant wirkende, gänzlich ortsuntypische Stufenbildung auf, die insbesondere aus der Fernsicht aus Richtung Pariser Platz das Gesamtbild unnötig stört.

Leider wird dieser gravierende Bruch mit der ortstypischen Baucharakteristik keineswegs durch eine besondere Originalität oder Modernität des Entwurfs ausgeglichen. Im Gegenteil wirkt die Formgebung des Erweiterungsbaus wie ein Zitat von Bauformen der 1960er und 70er Jahre, deren Ausprägungen, beispielsweise in der Kaufhausarchitektur, heute schon vielerorts zurück- und umgebaut werden.


Aus diesen Gründen möchten wir anregen, den vorgelegten Entwurf des Erweiterungsbaus von Kadawittfeldarchitektur mit dem Ziel der Ausbildung einer einheitlichen Höhenlinie zur Glinkastraße hin, die die Straßenecken einschließt, weiterzuentwickeln. Die Einbettung in den umgebenden Denkmalbereich Unter den Linden sollte auch in Materialität, Rhythmus und Gliederung der Fassade ihren Ausdruck finden. In diesem bedeutenden, von Sichtachsen geprägten, in Jahrhunderten gewachsenen Teil Berlins sollte ein Neubau das Stadtbild nicht unnötig stören, sondern sich zurückhaltend und sensibel in den stadträumlich-baulichen Maßstab des Umfelds einfügen.


Dr. Dobrick
Stadtbild Deutschland e.V.
Ortsverband Berlin
email: berlin@stadtbild-deutschland.org