Dass das Architektonische in Deutschland seit 70 Jahren als quantité négligeable, als eine zu vernachlässigende Größe im zivilisatorischen Prozess gehandelt wird, ist hinreichend bekannt. Dass es aber niemanden kümmert und dass selbst die Standesvertretung der Architekten darüber hinwegdöst, wenn sogar die deutsche Regierung uns immer aufs Neue eine solche Einschätzung unter die Nase reibt, das kann einen schon ins Grübeln bringen. Das jüngst verabschiedete „Klimaschutzpaket“ der Bundesregierung unterstreicht wieder einmal die Zielsetzung, landauf landab möglichst jedes Gebäude in einen Dämmmantel zu hüllen, um so die anvisierten Eckdaten für eine bundesweite Energieeinnsparung auf Biegen und Brechen zu erreichen.

Kein Wort darüber, dass diese Vorgabe, würde sie auch nur annähernd in die Tat umgesetzt, die Vernichtung der gesamten Baukultur unserer Nation bedeuten würde. Aber, so beeilt man sich zu versichern, denkmalgeschützte Baudenkmäler wären natürlich ausgenommen. Aha, die Denkmalschützer würden also darüber befinden, was als Architektur zu bewahren ist, und was für die Verwurstung durch das dämmende Gewerbe preisgegeben werden darf. So wie man beim deutschen Wiederaufbau nach dem Kriege hier und da „Traditionsinseln“ bewahrt hat, würden also künftig „Architekturinseln“ davon künden, dass dieses Volk einmal eine respektable Baukultur hervorgebracht hat. Architektur würde endgültig zu einem musealen Phänomen, das auf Sonntagsspaziergängen zu besichtigen ist.

Natürlich wird es dazu nicht kommen, weil sich die Bürgerschaft als klüger erweist als die Regierung und die kritische Journalistenschaft seit langen mit informativen Artikeln gegen den Dämmwahnsinn anschreibt. Manch einer mag sich auch mit dem Gedanken beruhigen, dass – abgesehen von den in Wahrheit desaströsen ökologischen Auswirkungen dieser Dämmpolitik – einem Großteil des tristen deutschen Alltags-Baubestands eine Auffrischung mit Styropor und Neuputz zumindest nicht schaden würde. Aber es geht nicht um ein solches Abwägen. Es geht um die Frage, was die Entwurfsarbeit des Architekten überhaupt noch zählt, wenn sie massenhaft durch einen Federstrich der Regierung zu einer Arbeit für den Reißwolf entwertet wird, wenn – anders als das Ringen um funktionale, konstruktive, ökologische Aspekte – architektonisches Bemühen im Bewusstsein von Politikern und Bevölkerung einfach nicht vorkommt. Dass die Regierung sich wieder einmal in ihrer Lobby-Hörigkeit selbst vorführt, überrascht wenig, dass aber sogar Architektenverbände stillhalten, wenn das Ansehen des Architektenberufs mit Füßen getreten wird, ist schwer zu begreifen.

Dr. Harald Streck, Vereinsvorsitzender