
Sehr geehrte Damen und Herren in Politik, Medien und Öffentlichkeit,
In Deutschland wird derzeit heftig über das „Stadtbild“ gestritten. Doch während sich Politiker über Menschen, Migration und Kriminalität austauschen, gerät das eigentliche, architektonische Stadtbild völlig aus dem Blick: das, was wir täglich sehen, wenn wir durch unsere Straßen gehen – Fassaden, Plätze, Architektur. Genau dafür möchten wir als Stadtbild Deutschland e. V. die Debatte versachlichen, denn für attraktive Innenstädte spielt genau das eine sehr große Rolle.
Die jüngsten Diskussionen um das „Stadtbild“ in Deutschland zeigen, wie stark dieses Thema emotional besetzt ist. Eine politische Äußerung des Kanzlers hat eine Welle ausgelöst – Demonstrationen, Empörung, mediale Zuspitzungen. Der Begriff Stadtbild wurde dabei in einen Zusammenhang gestellt, der vor allem um Migration, Sicherheit und gesellschaftliche Spannungen kreist. Wenn wir über das Stadtbild sprechen, müssen wir auch darüber sprechen, wie unsere Städte heute aussehen – und wie sie attraktiver werden könnten.
Seit Jahrzehnten prägen Flächenabrisse, gesichtslose Neubauten und gestalterische Gleichförmigkeit das Erscheinungsbild unserer Innenstädte. Vieles, was einst Schönheit und Heimatgefühl vermittelte, ist verloren gegangen. Was neu entsteht, wirkt häufig kalt, austauschbar und abweisend. Die Folge: Menschen meiden zunehmend die Orte, die eigentlich Zentren des öffentlichen Lebens sein sollten. Diese Entwicklung hat Gründe, die nichts mit Migration zu tun haben.
Wir sind überzeugt: Ein wirklich lebenswertes Stadtbild entsteht durch Schönheit, Qualität und Gestaltungsbewusstsein. Städte, die wieder Charakter, Maßstab und architektonische Vielfalt besitzen, fördern Zusammenhalt und Zugehörigkeit – sie schaffen Gemeinschaft, nicht Spaltung.
Deshalb halten wir es für dringend nötig, sich kommunal und bundesweit für diese Ziele einzusetzen:
- Mehr Gestaltungslehre in der Architektenausbildung. Die klassische Gestaltungslehre ist aus dem Studium oft fast verschwunden, zugunsten rein technischer Fragen. Doch Architektur ist nicht nur Technik, sondern sie ist auch Kultur – sie formt das Gesicht unseres Landes.
- Mehr rechtsverbindliche Gestaltungssatzungen in den Kommunen, um Qualität, Maßstab und regionale Baukultur zu sichern. So verhindert man Monotonie und Beliebigkeit.
- Eine kritische Neubewertung der Dämmkultur, die oft wenig bis nichts zur Energieersparnis beiträgt, aber die Baukosten in die Höhe treibt und die historischen Fassaden zerstört.
- Einen Denkmalschutz mit transparenten Kriterien und stärkerer Bürgerbeteiligung. Schutzwürdig sollte sein, was ästhetisch und städtebaulich wertvoll ist – nicht, was ideologisch oder formal opportun erscheint.
- Ein Ende der Abrisskultur von stadtbildprägender, historischer Bausubstanz zugunsten von Erhalt und Sanierung. Nachhaltigkeit bedeutet auch, bestehende Schönheit zu schützen.
- Ein nationales Förderprogramm für Baukultur und Stadtgestalt, das handwerkliche Qualität und gestalterische Innovationen unterstützt, im Einzelfall auch die Rekonstruktion herausragender, im Krieg verlorengegangener Einzelbauwerke, wo das städtebaulich sinnvoll ist.
Die aktuelle „Stadtbild“-Debatte zeigt, dass dieser Begriff Menschen bewegt. Doch wir wollen ihn aus seiner aktuellen politischen Kurzfristigkeit herauslösen und zu einer positiven, gesamtgesellschaftlichen Aufgabe machen: zur Pflege, Wiederbelebung und Weiterentwicklung der Baukultur in Deutschland.
Unsere Städte verdienen den Mut zur Schönheit.
Mit freundlichen Grüßen
der Vorstand von Stadtbild Deutschland e. V.