Offener Brief an die Berliner Politik: Schlosspark statt Steinwüste – für ein harmonisches Umfeld des Humboldt-Forums

Sehr geehrter Herr regierender Bürgermeister Müller, sehr geehrte Damen und Herren Senatoren und Abgeordnete,

„Stadtbild Deutschland e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein, der sich bundesweit und in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen für harmonische, lebenswerte und attraktive Stadtbilder einsetzt.

Aus aktuellem Anlass, das Umfeld des neuen Humboldt-Forums betreffend, wendet sich der Vorstand unseres Vereins hiermit an die Entscheidungsträger dieses Projektes in der Mitte Berlins. Um das Erscheinungsbild des neuen Humboldt-Forums wurde intensiv gerungen, die Frage nach der richtigen Gestaltung des Umfeldes beschäftigt ebenso seit langem die Gemüter. Der Verein „Stadtbild Deutschland e.V.“ spricht sich dabei nachdrücklich gegen den modernen Siegerentwurf zur Gestaltung des Schlossumfeldes von „bbz landschaftsarchitekten berlin“ aus.

Unsere ablehnende Haltung begründen wir folgendermaßen:

1. Isolation des Humboldt-Forums

Die aktuelle Planung reduziert den geschichtlichen Bezug des Schlossumfelds auf ein Minimum und blendet die Geschichte des Ortes weitgehend aus. Schlossterassen und Apothekerflügel werden nur angedeutet. Die Rückversetzung des Neptunbrunnens und der Rossebändiger ist erforderlich, um das Humboldtforum besser in sein Umfeld einzubinden und seine Position darin deutlicher zur Geltung bringen. Die aktuelle Planung isoliert den Bau in seinem Umfeld. Mit der Wiederherstellung des historischen Schlossumfeldes würde der Erinnerung an einen geschichtlich bedeutsamen Ort Rechnung getragen werden. Wie eine jüngst vorgestellte repräsentative Umfrage von Infratest Dimap bestätigt, befürworten beim Schlossumfeld eine deutliche Mehrheit, 52 % der befragten Berlinerinnen und Berliner sowie übrigen Bundesbürger, ein historisch geprägtes Umfeld. Nur 17 % bevorzugen dagegen die moderne Variante. Dies sehen wir als Bestätigung unserer Position.

Weiterhin sprechen auch ökologische Überlegungen gegen den aktuellen Entwurf:

2. Versiegelung des Schlossumfeldes

Die durch den aktuellen Siegerentwurf geplante großflächige Versiegelung des Schlossumfeldes lässt dieses kahl und trist erscheinen. Historische Aufnahmen belegen, dass ursprünglich deutlich mehr Grün um das Schloss vorzufinden war. Bäume spenden Schatten und würden Ausdruck eines nachhaltigen Berlins werden. Stattdessen scheint man nun nur wenige Exemplare platzieren und es im Wesentlichen bei einer kargen Steinwüste belassen zu wollen. Das ist zum Einen eine verschenkte Chance auf mehr Urbanität und Lebensqualität, zum Anderen auch eine moralisch problematische Entscheidung: Die gewachsene Umgebung des Schlosses, die abwechslungsreich und kleinteilig war, ist immer wieder durch politische Vereinnahmung und Zweckbindung bedroht gewesen. Den Wunsch, daraus eine große, planierte Fläche für militärische und propagandistische Zwecke zu machen, hegten alle Machthaber, die in den vergangenen Jahrhunderten über das Schloss und sein Umfeld verfügen konnten. Es drängt sich einem der Eindruck auf, als wäre in allen vorgelegten Entwürfen schon wieder dieser Hang zu großen, die Totalität des Ensembles umgreifenden Strukturen das überwiegende Gestaltungsmotiv gewesen. Dem Betrachter, der dieser versiegelten Großfläche („Stadtglatze“) ausgesetzt ist, muss sich die Frage nach dem Zweck dieser erneuten Wiedergeburt der einfallslosen Großstruktur stellen. Wir können heute froh sein, dass ein Bedarf für Aufmarschplätze in Berlin nicht mehr besteht. Also sollten sie auch nicht mehr gebaut werden!

Wir fordern daher, dem Wettbewerbssieger die Möglichkeit zur Nachbesserung des Entwurfs zu geben oder einen erneuten Wettbewerb auszuschreiben. Ziel sollte in beiden Fällen vor allem ein lebendiges Schlossumfeld sein. Wenn die Stadt ein historisches Umfeld trotz des Zuspruchs aus der Bevölkerung ablehnt, gibt es auch andere Möglichkeiten, das Areal aufzuwerten: Hochwertige Grünflächen und gemütliche Sitzgelegenheiten, die z.B. nicht nur aus geschnittenen Steinquadern bestehen, könnten dort angelegt werden. Idealerweise kann dort sogar ein kleiner „Schlosspark“ entstehen, den es historisch nie gab. Ein solcher Schlosspark wäre ein unendlicher Fortschritt zur derzeit geplanten Steinwüste! Ziel bei der Gestaltung des Schlossumfeldes muss es sein, ein lebendiges und harmonisches Umfeld zu schaffen, welches bei den Bürgern auf eine breite Zustimmung stößt.

Wir bitten Sie, sich für ein solches harmonisches Umfeld einzusetzen!

Mit freundlichen Grüßen

für den Vorstand von Stadtbild Deutschland e.V.
Manuel Reiprich, Pressesprecher