Gemeinsam mit anderen baukulturell engagierten Bürgervereinen schlägt der Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland eine stärkere Bezugnahme auf die historische Bebauung bei der Architekturplanung am Molkenmarkt in der historischen Mitte Berlins vor.

Hier die Mitteilung der Allianz der baukulturell engagierten Berliner Bürgervereine vom 4.11.25:

Mehr als nur Folklore: historische Bezüge in der Architektur für den Molkenmarkt

So eine Chance ist selten – wir sollten es wirklich gut machen: Geschichte und baukulturelle Prägung von Molkenmarkt und Klosterviertel müssen auch in der Architektur ablesbar sein.

Die Allianz der baukulturell engagierten Berliner Bürgervereine fordert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf, bei den zukünftigen Ausschreibungen für die Architekturwettbewerbe am Molkenmarkt Gestaltungsvorgaben hinzuzufügen, die für einzelne Häuser historisch dokumentierte Gestaltungsmerkmale vorsehen. Dies sollte in den Gebäudesteckbriefen festgeschrieben werden.

So könnte der Große Jüdenhof in Zukunft wieder aussehen

Berlin hat im 20. Jahrhundert durch Abrisse und Kriegszerstörungen seine Altstadt verloren. Die Verlegung der Grunerstraße bietet die einmalige Gelegenheit, mit der Neubebauung am Molkenmarkt die verlorene bauliche Charakteristik dieses Teils der historischen Innenstadt wiedererlebbar zu machen. Der Senat hat erst kürzlich (Pressemitteilung vom 19.8.25) erklärt, die Berliner Mitte solle zu einem „Identifikationsort und Repräsentationsraum der Gesamtstadt“ werden. Nach den derzeitigen Planungen würde am Molkenmarkt jedoch ein belangloses, flächenoptimiertes Quartier entstehen, mit kaum erkennbarem Bezug zur baukulturellen Prägung des Ortes als Kernbereich des alten Berlin. Archäologische Fenster als einzige Erinnerungspunkte reichen nicht aus. Der vor allem im 18. und 19. Jahrhundert geprägte bauliche Charakter von Molkenmarkt und Klosterviertel muss auch in Architektur und Stadtbild erkennbar sein.

Hierfür bedarf es eines Leitbautenkonzepts, so wie es sich bereits in Potsdam, Dresden und Frankfurt am Main bewährt hat: einzelne bau- oder stadtgeschichtlich bedeutende Häuser und Ensembles des Quartiers werden in ihrer äußeren Gestalt wiederaufgebaut. Die übrigen Gebäude folgen den Vorgaben des Gestaltungshandbuchs. Erhaltene historische Keller und Grundmauern sollten in die neuen Häuser integriert werden.

Molkenmarkt 4, Zornsche Apotheke, erbaut vor 1750, umgebaut um 1850, abgebrochen 1938. Foto: Berlin-Mitte-Archiv

Nur so wird das Viertel die historische Tiefe und Prägnanz erhalten, die es zu einem attraktiven Bezugspunkt für die ganze Stadt werden lassen kann. Die Mehrheit wäre dafür: eine 2023 in Berlin durchgeführte repräsentative Meinungsumfrage (Forsa) ergab, dass 60% der Befragten Leitbauten am Molkenmarkt befürworten würden, nur 25% waren dagegen.

Der Wohnraummangel Berlins wird sich auf den wenigen Hektar am Molkenmarkt nicht lösen lassen. Eine durchgehend siebengeschossige Bebauung, so wie aktuell geplant, hat es dort nie gegeben. Prägend für das historische Quartier war eine Mischung aus kleineren und größeren Gebäuden aus verschiedenen Stilepochen mehrerer Jahrhunderte. Diese spezielle Rhythmik und Vielfalt der Bebauung sollte auch im zukünftigen Quartier zwischen Molkenmarkt und Klosterstraße wieder anklingen. Auch in den neuen innerstädtischen Quartieren in Potsdam, Frankfurt am Main, Lübeck und Dresden wurde darauf geachtet, dass sich die Höhe der modernen Füllbauten an den Leitbauten orientiert.

Jüdenstraße 22, erbaut um 1770, abgebrochen 1937. Foto: Berlin-Mitte-Archiv

Die von uns vorgeschlagenen Leitbauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert hatten keine besonders teuren oder aufwändig wiederherzustellenden Fassaden. Sie zeichneten sich durch Putzfassaden und einfache, klassisch proportionierte Stuckornamente aus und hatten meist 3-4 Geschosse. Als Leitbauten geeignet wären das Ensemble des Großen Jüdenhofs, die Gebäude Jüdenstraße 22, 31 und 46-48, Klosterstraße 41, Stralauer Straße 26 sowie Molkenmarkt 4. Wir halten den Rückbau des 1968 errichteten Funktionsbaus Klosterstraße 44 für erforderlich, da dieser mehrere Parzellen überbaut und dadurch eine kleinteilige Wiederbebauung der Klosterstraße blockiert.