
Nach jahrelanger, auch coronabedingter Pause fand dieses Jahr endlich wieder – neben unserer „offiziellen“ Jahreshauptversammlung – ein Stadtbildtreffen statt, das allen Stadtbild-Initiativen in Deutschland offen steht und traditionell in der Altstadt von Frankfurt am Main stattfindet. Solche Veranstaltungen sind immer eine gute Gelegenheit, sich mit anderen Experten auszutauschen und gemeinsam Probleme zu erörtern.
Dieses Jahr fand das Treffen am 27. September in der „Evangelischen Akademie“ am Frankfurter Römer statt und war mit 45 Teilnehmern – verglichen mit früheren Zeiten – sehr gut besucht. Besonderen Dank dabei an die Organisatoren, vor Ort Andreas Weber, Thomas Petzinna und Max Wiesenbach, vor allem an Bastian Weikum aus Balingen, der das neue Konzept der Veranstaltung erarbeitet hat. Diesmal sollte das Treffen interaktiver stattfinden und neben Vorträgen noch stärker als bisher durch Workshops zum Austausch anregen.

Nach einem Grußwort unseres Vorsitzenden Tilo Bergmann gab uns Mario Albers aus Landau einen Überblick darüber, was – nach dem Ludwigstempel in Darmstadt – unser nächstes vereinseigenes Projekt werden könne: Der Wiederaufbau (man spricht eindeutiger besser immer von einer Rekonstruktion) des Luitpoldbrunnens auf dem Marktplatz von Landau.

Anschließend fand ein interaktiver Expertentalk statt, bei dem sich alle Teilnehmer mit Fragen aufs Podium setzen und beteiligen konnten. Der Talk wurde natürlich dominiert von der Frage, wie neue Projekte angeschoben werden können und unter welchen Bedingungen das aktuell und unter den sich verschärften ökonomisch-gesellschaftlichen Bedingungen möglich sei. Zudem erschwert insbesondere der Denkmalschutz, der sich immer mehr für die Unterschutzstellung ästhetisch fragwürdiger Nachkriegsarchitektur einsetzt, künftige Rekonstruktionsbemühungen zunehmend. Der Umgang mit der im Denkmalschutz tonangebenden, aber völlig veralteten Ideologie der „Charta von Venedig“ von 1964 war daher ebenfalls ein Thema, mit dem sich insbesondere Markus Rothaar beschäftigt.

Nach einem Mittagssnack in der „Wurstbraterei“ am Hühnermarkt standen die Themenworkshops auf dem Programm.
Sie und die nachfolgende Auswertung standen ganz unter dem Oberthema, was die moderne künstliche Intelligenz (KI) für unsere Vereinsarbeit bedeuten kann, da mittels dieser neuen Möglichkeiten Visualisierungen in kürzester Zeit und ohne nennenswerte Kosten zu erstellen sind. Im Stadtbild-Forum wird dieses Thema seit einiger Zeit heiß diskutiert und etliche Beispiele gelungener KI-Entwürfe sind dort bereits zu sehen. Vorbei scheint bald die Zeit, als es uns oft noch nicht möglich war, gelungene Visualisierungen zu liefern, weil diese mehrere tausend Euro kosten konnten und damit die Möglichkeiten eines ehrenamtlichen Vereins weit überstiegen.

Im Workshop unter Leitung von Haio Ober und Max Wiesenbach zum Thema KI und Social Media ging es vor allem darum, historische schwarz-weiß Aufnahmen von nicht mehr existierenden Gebäuden, oder Ensembles in die Gegenwart und in Farbe zu versetzen, mit neuem Leben zu füllen und somit die auf alten Bildern immer etwas entrückt wirkende historische Architektur wieder nahbarer und im heutigen Kontext sichtbar zu machen.
Die besten Erfahrungen seien dabei mit „Gemini“ gemacht worden. Der für uns geradezu revolutionäre Wert dieser in wenigen Sekunden erstellten Bilder kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, als Visualisierung und Überzeugungsmittel gegenüber Presse und Politik für etwaige Rekonstruktionsprojekte und unsere visuelle Präsenz auf Social Media.

Im Workshop wurde eine Anleitung erarbeitet, um den Benutzer durch die beste Formulierung des Promptes zu möglichst überzeugenden und authentischen Ergebnissen zu bringen. Diese Anleitung wurde nach Abschluss der Diskussion auch in das Forum eingestellt und ist dort für jeden einsehbar: https://www.stadtbild-deutschland.org/forum/index.php?thread/10631-hilfe-beim-erstellen-von-ki-visualisierungen/&postID=462429#post462429
Die von Gerd Jückstock geleitete Workshop beschäftigte sich mit der Frage, wie man ein konkretes realistisches Rekonstruktionsprojekt promoten und bekannt machen kann. Am Beispiel der Idee eines Wiederaufbaues der Frankfurter Garküchen (ein kleines, ikonisches, aber sehr schmales Gebäude hinter dem Dom) wurde erörtert, wie dieses beworben und später genutzt werden könne. Dabei müssen bei jedem Einzelbeispiel die mögliche Nutzung, die zu gewinnende Fläche und natürlich deren Wirtschaftlichkeit, das Vorhandensein einer Gestaltungssatzung, die Widerstände der Ämter und das mangelnde Interesse der Kommunalpolitiker von Anfang an in die Überlegungen mit einbezogen werden. Konkrete Rekonstruktionsprojekte lassen sich idealerweise über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan über die Bauausschüsse beschließen.

Bei den Garküchen würde z.B. der Umstand eine Rolle spielen, dass dieses Gebäude sehr niedrig und schmal war, was die Wirtschaftlichkeit äußerst erschwert. Allerdings wäre das Gebäude dadurch auch genehmigungsfähig, weil man keine Mindestabstandsprobleme zur Bestandsbebauung bekommen würde. Das kann bei anderen Beispielen aus anderen Städten aber schon wieder ganz anders sein. Das Thema „Garküchen“ wurde in Frankfurt übrigens bereits erörtert, wie dem Einen oder Anderen bekannt sein dürfte. Leider hatten die Stadträte mehrheitlich wenig für den Wiederaufbau übrig – trotz des Erfolges der neuen Altstadt. Dennoch sollten wir die Zeit nutzen und solche Ideen nicht wieder in Vergessenheit geraten lassen.
Volker Luschnitz ließ die Teilnehmer seines Workshops die Frage erörtern, inwiefern ein Masterplan für die Frankfurter Altstadt vom Konzept her auf andere Städte übertragbar ist. Es wurde besprochen, dass zuerst stadtbildprägende Plätze bzw. Orte mit untergegangenem kulturellem Erbe zu identifizieren sind, im weiteren Schritt dann eine Analyse anhand von historischen Bildern und dem Überlagern des historischen mit dem aktuellen Stadtgrundriss. Daraus ableitend wird vorgeschlagen, sich auf ein konkretes Projekt zu fokussieren, das mit KI visualisiert werden kann, um dann diese Visualisierungen für die Kommunikation mit Politikern, Multiplikatoren und Bürgern zu nutzen. Das langfristige Ziel ist die Entwicklung von Masterplänen und Gestaltungssatzungen für Altstadtbereiche unter Berücksichtigung unseres kulturellen städtebaulichen Erbes.

Der Workshop von Mario Albers beschäftigte sich eingehender mit unserem Vereinsprojekt Luitpoldbrunnen in Landau und Möglichkeiten, das Projekt stärker in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der Brunnen wurde in der Nazizeit beseitigt, um Platz für eine Aufmarschfläche zu schaffen, seitdem haben sich die Landauer leider an das Fehlen des Brunnens gewöhnt und er muss erstmal wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Der Workshop beschäftigte sich mit der Frage, wie das Projekt in Landau bekannter gemacht werden könne und wie den üblichen Gegenargumenten begegnet werden kann: Zu hohe Herstellungskosten? Können durch maschinelle Sandsteinfräsungen reduziert werden. Zu teuer insgesamt? Möglichkeiten der Spendenakquise werden diskutiert. Brunnen nimmt zuviel Platz weg? Brunnenausmaße sichtbar machen durch Rollups oder bei einem Stadtfest durch Luftballons, die dann an die Kinder verschenkt werden usw. Diskutiert wurden dabei auch Slogans: „Landau sprudelt- der neue Luitpoldbrunnen schafft Zukunft“ bekam dabei am meisten Zuspruch.

Zu guter Letzt ist noch der Workshop unseres Fachwerkexperten Dominik Mangelmann zu erwähnen, der seine Teilnehmer über Besonderheiten des Fachwerkbaues aufklärte und die Fehler erläuterte, die dabei während der Rekonstruktion der Neuen Altstadt passiert sind. Kleine Fehler, die auf den ersten Blick nicht auffallen, die aber zeigen, dass das wertvolle Wissen unserer Altvorderen, wie solche Häuser errichtet werden bzw. wurden, nicht so einfach wieder gehoben werden kann. Das Wissen muss gepflegt und wieder verbreitet werden, insofern – das wissen wir – haben Rekonstruktionen auch immer eine Lernfunktion.
Um 16 Uhr verlieh Thomas Petzinna vom Frankfurter Ortsverband einen besonderen Preis, den „Frankfurter Architekturpreis“ an Frau Prof. Anne-Christin Scheiblauer. Scheiblauer war als Stadtplanerin in Regensburg tätig, wechselte dann später als Dozentin an die Fachhochschule Frankfurt am Main und hat – u.a. durch ihre umfangreichen Forschungen und Publikationen zur Frankfurter Alten Börse – die Arbeit der Stadtbild-Freunde maßgeblich unterstützt.

Nach einer Führung durch die neue Altstadt durch Andreas Weber, Christian Schäfer und Jörg Ott schlenderten wir hinüber auf die andere Mainseite, wo im „Gasthaus zum Eisernen Steg“ der Abend – mit jeder Menge frischer Ideen und neuem Elan im Kopf – zum Ausklingen gebracht wurde.


Fazit auch diesmal: Die Zeit hat einfach nicht gereicht, ein Tag ist eigentlich zu kurz, um wirklich vertieft die sich überall zeigenden Probleme zu besprechen. Auf alle Fälle sollten wir in den Städten, in denen wir aktiv sind, Ausschau halten, wo sich künftige Möglichkeiten eröffnen, das Stadtbild zu verbessern und dazu schon mal Ideen skizzieren. Auch dort, wo aktuell politisch oder wirtschaftlich wenig zu machen ist. Je eher wir dafür werben, umso besser.
Teilnehmende, die noch inhaltliche Fragen haben, sind gerne eingeladen, diese an den Vereinsvorstand zu senden, damit wir die Anfragen an die Experten auch nachträglich noch weiterleiten können.
Wir freuen uns auf das nächste Treffen im neuen Jahr -genauer Ort und Zeit wird noch bekanntgegeben.