Presseinformation
des Berliner Ortsverbands von Stadtbild Deutschland e.V.
24.10.2021

Der Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland e.V. appelliert an die zukünftigen Regierungsparteien von Berlin, sich bei der zukünftigen Neubebauung am Molkenmarkt für ein Leitbautenkonzept einzusetzen.

Der Berliner Ortsverbands des bundesweit tätigen Vereins Stadtbild Deutschland e.V. hat sich anlässlich der beginnenden Berliner Koalitionsverhandlungen an Vertreterinnen und Vertreter der zukünftigen Regierungsparteien gewandt und darum gebeten, das Ziel eines Leitbautenkonzepts für die zukünftige Neubebauung am Molkenmarkt im Koalitionsvertrag festzuhalten.

Ein Leitbautenkonzept könnte die äußerliche Rekonstruktion baukulturell oder stadtgeschichtlich prägender Bauten des Quartiers auf ihren ursprünglichen – oder gegebenenfalls leicht verschobenen – Parzellen vorsehen, in Verbindung mit einer Gestaltungsleitlinie, die die Verwendung ortstypischer Materialien und Bauformen vorgibt.
Als Vorbild könnte hierbei die Neubebauung am Alten Markt im neuen Quartier III in Potsdam genommen werden, wo kommunale Baugenossenschaften derzeit historische Leitbauten neben moderner Architektur errichten, mit preisgedämpftem Wohnraum auf der Basis eines Konzeptvergabeverfahrens.
Ein Leitbautenkonzept entspricht auch den mit deutlicher Mehrheit geäußerten Wünschen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerbeteiligung zur Neubebauung am Molkenmarkt (Pop Up Molkenmarkt, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen 8/2020).

Der Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland e.V. verweist auf die Bedeutung einer für jeden Menschen ablesbaren Verbindung zu Kultur und Geschichte eines Ortes, die durch rekonstruierte Leitbauten an einem stadtgeschichtlich bedeutenden Innenstadtquartier wie Molkenmarkt und Klosterviertel hergestellt werden könnte – als belebte Orte der Erinnerung und Identifikation. Auch sei die Wiedererrichtung wertgeschätzter, jedoch verlorener Baukultur eine besonders nachhaltige Art des Bauens, da die Gefahr, dass äußerlich rekonstruierte Leitbauten in späteren Zeiten als banal empfunden und ausgetauscht werden, erfahrungsgemäß sehr gering ist.

Der Ortsverband erinnert an die bedeutenden Bauleistungen Berliner städtischer Wohnungsbaugesellschaften beispielsweise zu Zeiten der Weimarer Republik, als auch unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen ästhetisch anspruchsvolle und hochwertige Wohnsiedlungen entstanden sind – mit wegweisende Bauten der Moderne, aber auch der damals als klassisch empfundenen Baukunst der Zeit um 1800.
Aber auch heute könnten die am Molkenmarkt und im Klosterviertel verantwortlichen Berliner Wohnungsbaugesellschaften WBM und DeGeWo beweisen, dass sie hochwertige und unverwechselbare Architektur an einem wichtigen Ort der Stadtgeschichte hervorbringen können.
Hierfür müsste jedoch ein Leitbauten- und Gestaltungskonzept entwickelt werden, das die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen kürzlich herausgegebenen 8 Leitlinien zum Molkenmarkt ergänzt. Zur Refinanzierung höherer Baukosten könnten – wie in Potsdam – städtebauliche Fördermittel erschlossen werden.

Der Berliner Ortsverband von Stadtbild Deutschland e.V. verweist auf die am Molkenmarkt und im Klosterviertel in den nächsten Jahrzehnten wohl einmalige Chance, an diesem bedeutenden Ort der Berliner Innenstadt eine angemessene, historisch begründete Baukultur wiederzugewinnen – nicht nur für Touristen, sondern auch für alle Berlinerinnen und Berliner.
Jedoch müssten die Weichen hierfür früh genug gestellt werden, am besten mit Hilfe verbindlicher Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

Stadtbild Deutschland e.V. setzt sich seit 2005 für den Erhalt und die Pflege historischer Ortsbilder ein. Der Berliner Ortsverband wurde 2020 gegründet.

Angefügt sind zwei Visualisierungen des Berliner Architekturbüros Patzschke Architekten (Pakertharan Jeyabalan) (© Patzschke Architekten)

Eine Ansicht des Molkenmarkts mit nach einem Gestaltungskonzept erbauten Häusern. In diesem werden charakteristische Bauformen und Materialien der historischen Bebauung berücksichtigt.

  

Eine Ansicht der Klosterstraße in der Perspektive des bekannten Gemäldes von Eduard Gaertner (1830) mit Blick auf die Parochialkirche, das Palais Kreutz (M.H. Böhme 1713) und den Schinkelbau des Gewerbeinstituts (1829), der auf Grund von Design und Bautechnik (Stahlskelettbau) als wegweisend für die architektonische Moderne gilt. Der Berliner Ortsverband schlägt das Palais und den Schinkelbau als innerhalb der Klosterstraße translozierte Leitbauten-Rekonstruktionen vor.

  

Eduard Gärtner, Klosterstraße, 1830, Alte Nationalgalerie/Wikipedia