Die Dresdner „Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden“ hat ein Bürgerbegehren gestartet, um sich für eine Neugestaltung des Neustädter Marktes – des großen Platzes auf der anderen, nördlichen Elbseite – einzusetzen. Ziel ist, Wettbewerbsergebnisse umzusetzen, die unter großer Bürgerbeteiligung 2018/19 erarbeitet worden sind. Einige „Denkmalschützer“ aus Dresden haben durch die Hintertür unter Ausnutzung von Kanälen zur Dresdner Denkmalbehörde eine „Unterschutzstellung des Neustädter Marktes in seiner gegenwärtigen, aber qualitativ mehr als fragwürdigen DDR-Gestalt erreicht. Dies ist v.a. eines: Undemokratisch! Mit diesem zentralen Argument wenden wir uns an die Dresdner Politik und werden hierbei von einigen anderen Vereinen aus dem Bundesgebiet unterstützt.

Der Neustädter Markt, 06.05.1986 (c)Blobelt
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Sehr geehrter Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträte,

die 2019 unter breiter Bürgerbeteiligung ausgearbeiteten Wettbewerbsergebnisse für die Neugestaltung des Neustädter Marktes sehen eine Neubebauung in Anlehnung an den Zustand vor der Zerstörung 1945 vor. Diese Ergebnisse sind durch den Stadtratsbeschluss V3266/19 bestätigt worden.
Dieser Beschluss wurde jedoch von der unteren Denkmalschutzbehörde 2021 durch einen intransparenten Verwaltungsvorgang de facto kassiert, indem der Neustädter Markt in seinem jetzigen Zustand zum Denkmal für DDR-Architektur ernannt wurde. Veränderungen, auch die geplante Bebauung des südlich an den Platz angrenzenden Königsufers sind damit nicht mehr möglich und der unbefriedigende Zustand soll anscheinend -geht es nach der Denkmalbehörde – bis in alle Ewigkeit so konserviert werden. Es gibt genug Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung der Behörde von einigen wenigen Interessengruppen maßgeblich initiiert worden ist. Interessengruppen, die auch zuvor schon beim Wettbewerb demokratisch beteiligt worden sind, aber ihren Willen nicht durchsetzen konnten und es nun auf diese Weise versuchen.
Die derzeitige Verwaltungsentscheidung der Denkmalbehörde ist daher nicht hinnehmbar.
In einer so bedeutenden Frage von so großer Wichtigkeit für das künftige Stadtbild Dresdens muss die Bevölkerung mit einbezogen werden und deren Mehrheitsmeinung muss dann auch von Denkmalbehörden akzeptiert werden.
Setzt man hier jetzt kein klares Signal demokratischer Beteiligung, besteht auch in Zukunft jederzeit die Gefahr, dass die untere Denkmalbehörde sich durch die Hintertür von Partikularinteressen einspannen lassen wird. Das wäre kontraproduktiv für unsere demokratische Gesellschaft, die von Transparenz und Bürgerbeteiligung lebt.
Es geht hier also keineswegs nur um die Zukunft des Neustädter Marktes/Königsufers, sondern um grundsätzliche Fragen, die das Funktionieren unserer Demokratie betreffen.
Solche Grundsatzfragen sind daher auch für andere Bürger und Bürgerinitiativen, die nicht in Dresden beheimatet sind, von überregionalem Interesse. Demokratie ist ein fragiles, aber wichtiges Gut und muss praktiziert und verteidigt werden. Nach außen (was uns seit drei Wochen wieder schmerzlich vor Augen geführt wird) aber auch nach innen.
Aus diesem Grund haben sich neben dem Verein Stadtbild Deutschland u.a. auch die Vereine „Pro Altstadt Frankfurt“, die „Altstadtfreunde Nürnberg“ sowie die Potsdamer Initiative „Mitteschön“ diesem offenen Brief angeschlossen. Wir alle stellen uns solidarisch hinter das Bürgerbegehren der GHND. Nicht etwa nur, weil wir alle davon überzeugt wären, dass der Neustädter Markt unbedingt so aussehen müsste, wie er mal war.
Nein, sondern weil eine Abstimmung der Dresdner Bevölkerung über diese Frage ein Gebot gelebter Demokratie ist. Die Frage des künftigen Aussehens des Neustädter Marktes muss von der Mehrheit der Dresdner Bevölkerung entschieden werden und nicht von einigen wenigen Mitarbeitern in einer Behörde!
Daher bitten wir Sie als die Vertreter der Dresdner Politik – ganz unabhängig vom Ausgang des derzeit laufenden Bürgerbegehrens – , sich je nach Lage der Dinge auch mittels eines Ratsentscheides für eine Volksabstimmung zu dieser Frage am 12. Juni 2022 stark zu machen!

Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Enderle, Vorsitzender von „Altstadtfreunde Nürnberg e.V.“
Dr. Pablo de la Riestra, Kunsthistoriker, Nürnberg
Andreas Weber, Vorsitzender von „Pro Altstadt Frankfurt e.V.“
Barbara Kuster, Vorsitzende von „Mitteschön“ in Potsdam
Michael Stojahn, Stadtbaurat und Vorstand Gemeinschaft zur Förderung regionaler Baukultur
Der Vorstand von Stadtbild Deutschland e.V.

Der Neustädter Markt vor der Kriegszerstörung
VEB Foto Erlbach i. Vogtl. Fotosammlung
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