
Während Rekonstruktionen in anderen ostdeutschen Städten wie Potsdam oder Dresden längst als Gestaltungsmittel des Städtebaus politisch etabliert sind, hinkt Magdeburg -die wohl am stärksten kriegszerstörte Stadt – dieser Entwicklung seit Jahrzehnten hinterher. Doch nun setzt sich Stadtrat Olaf Meister von der Stadtratsfraktion Grüne/future für den Wiederaufbau des Dompredigerhauses ein. Der Stadtrat hat reagiert und die Verwaltung zunächst um Stellungnahme gebeten, ob ein Wiederaufbau dieses Hauses überhaupt möglich sei. Wie nicht anders zu erwarten, kommt natürlich auch in Magdeburg zunächst der übliche Gegenwind von der Verwaltung. Dieser Gegenwind ist aber so dünn und die Scheinargumente so schlecht, dass Stadtbild Deutschland von engagierten Bürgern gebeten wurde, sich hier zu Wort zu melden.

Die Volksstimme hat in einem Artikel am 4. Januar 2025 über das Vorhaben berichtet, zu prüfen, ob das im 2. Weltkrieg zerstörte Dompredigerhaus (Gouvernementberg 4) wiederaufgebaut werden könne. Zuvor hatte die Fraktion „Grüne/Future!“ einen entsprechenden Antrag (0211/24) gestellt.
Am 6.11.24 hatte die Magdeburger Verwaltung dazu eine Stellungnahme abgegeben und sich darin klar dagegen ausgesprochen (S0510/24). Die Argumentation dieser Stellungnahme ist aber so derart schwach, dass sich der Verein veranlasst sieht, diese zu kommentieren.
So heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung zunächst:
„Die aus denkmalpflegerischer und städtebaulicher Sicht zu stellende Frage lautet, ob man den nach 1945 durch Beräumung der Kriegsruinen entstandenen Grünraum um das Kloster Unser Lieben Frauen in seinen freiräumlichen Qualitäten bewahren oder zu einer verdichtenden Quartiersstruktur zurückkehren möchte.“
Kurz darauf heißt es: „Der Wandel vom eingebauten Stadtkloster zur freistehenden Klosteranlage mit kultureller Nutzung als Folge des 2. Weltkriegs war grundlegender Natur und kann nicht schrittweise zurückgenommen werden.“
Hier ist die Stellungnahme zunächst mal widersprüchlich: Wenn man auf der Freifläche südlich des Klosters zu bebauten Quartieren (wie vor dem Krieg) zurückkehren könnte, wenn die Frage gestellt werden kann, wieso soll dann der derzeitige Zustand unveränderbar sein?
Natürlich wäre eine schrittweise Wiederbebauung des Areals im Laufe der Zeit weiterhin möglich bzw. sollte weiterhin als Option offenbleiben. Das Kunstmuseum im Kloster beschäftigt sich ja schon seit geraumer Zeit mit der Frage möglicher Erweiterungen seines Areals, was das Konzept der „freistehenden Klosteranlage“ sowieso mittelfristig infrage stellen dürfte.

Weiterhin behauptet die Stellungnahme: „Die Errichtung nur eines der barocken Stadtpalais am Gouvernementsberg 4, d. h. das ehem. Dompredigerhaus, ist bereits aus denkmalpflegerischer Sicht nicht zielführend, da es nur eine Insellösung schaffen würde.“
Hier muss man klar widersprechen: Das wiederaufgebaute Dompredigerhaus wäre mitnichten eine „Insellösung“! Es würde eine optische Leerstelle aus Richtung Domplatz schließen und wunderbar zwischen Sterntor, der historischen Bebauung am Domplatz und dem historischen Kloster vermitteln. Zudem könnte man die Frage stellen, wieso die Stadtverwaltung hier plötzlich eine „Insellösung“ verhindern will, wenn sie doch so eifrig die andere „Insellösung“, das freistehende Kloster, zu schützen versucht? Außerdem ist laut den öffentlich zugänglichen Plänen die Parzelle des ehemaligen Hauses sowieso schon als Bauland ausgeschrieben worden.
Zuletzt wird es als „fraglich“ hingestellt, „inwieweit ein avisierter Wiederaufbau mit originalgetreuer Fassaden- und Dachgestaltung unter heutigen energetischen Vorgaben umsetzbar“ wäre.
Spätestens an dieser Stelle muss man sich fragen, ob die oder der Verfasser dieser Stellungnahme sich mit dem Thema überhaupt auseinandergesetzt hat?
Der Hildesheimer Marktplatz, der Dresdner Neumarkt (der Platz um die Frauenkirche) oder das neue Dom-Römer-Viertel in Frankfurt am Main. Eine Autostunde von Magdeburg entfernt der Alte Markt in Potsdam. Dort sind neue Ensembles, ja ganze Stadtquartiere neu entstanden, mit zahlreichen prachtvollen Einzelrekonstruktionen, die alle moderne Nutzungsansprüche problemlos erfüllen und unter „heutigen energetischen Vorgaben“ umgesetzt wurden.
Gegenargument des Laien ist meistens nur, es wäre zu teuer, alte Gebäude wieder zu errichten.
Doch den Löwenanteil an Baukosten machen technische Ausrüstung sowie bürokratische Verzögerungen aus, aber sicher nicht die Fassade.
Die Mehrkosten selbst für aufwändigere historische Fassaden lagen z.B. beim Dresdner Neumarkt stets nur bei ca. 3-5 % der Baukosten, die die Fassade eines „modernen“ Standardhauses derselben Größe gekostet hätte. Der entstehende Wert aber, den ein Haus mit historischer Identität und individueller Gestalt an so prominenter Stelle für einen Investor bedeutet, übertrifft das bei weitem. Zudem ist die Fassade des Dompredigerhauses relativ schlicht gewesen und stellt für jede professionelle Baufirma kein Problem dar. Einzig die Dachgauben könnten vielleicht etwas teurer ausfallen, doch der Großteil der Fassade bestand aus Putz. Putzfassaden sind erheblich billiger als eine moderne Glasfassade.
Die Mitglieder von Stadtbild Deutschland appellieren daher an die Fraktionen des Magdeburger Stadtrats, der Stellungnahme der Verwaltung nicht zu folgen und stattdessen den Wiederaufbau des Dompredigerhauses zu unterstützen! Der Wiederaufbau ist wirtschaftlich machbar und er ist auch städtebaulich geboten! Das neue Dompredigerhaus würde die Altstadt attraktiver machen und ihr einen weiteren, kleinen Teil ihrer Geschichte zurückgeben!
Mit freundlichen Grüßen
der Vorstand von Stadtbild Deutschland e.V.