Offener Brief von Stadtbild Deutschland e. V. an die Bürgermeister und Stadträte der Stadt Bad Homburg:

Sehr geehrter Alexander Hetjes, sehr geehrter Dr. Oliver Jedynak, sehr geehrte Stadträte,

im Herbst letzten Jahres fand in Ihrer Stadt ein Ideenwettbewerb statt, an dem sieben Architekten teilgenommen haben. Darin ging es um einen möglichen Neubau des Bad Homburger Kurhauses. Neben Entwürfen in moderner Formensprache wurden auch historisierende Entwürfe eingereicht, die sich eng an dem im 19. Jahrhundert erbauten, von Jean Pierre Cluysenaar im Neorenaissancestil erweiterten und 1945 ausgebrannten Kurhausbau orientieren.

Prompt kamen ablehnende Stimmen von Kritikern, v.a. von Gregor Maier, Leiter des Kreisarchivs des Hochtaunuskreises sowie Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg. In der Frankfurter Neuen Presse kritisierte er in einem am 10 Dezember erschienenen Artikel solche Rekonstruktionsideen.
Laut Maier sei eine Rekonstruktion des historischen Kurhauses abzulehnen, da es zerstört worden ist.
Es sei daher ein „Gebot der historischen Redlichkeit, zu diesem Verlust zu stehen“ und ihn nicht ungeschehen zu machen.
Was weg ist, ist weg! Auf diese einfache Formel kann man solche Aussagen reduzieren. Doch dies ist ein Totschlagargument. Wäre man in der Geschichte immer diesem Argument gefolgt, würde es viele berühmte Bauwerke heute nicht mehr geben:


Man hätte das Goethehaus in Frankfurt 1951 nicht aufbauen dürfen, 1989 nicht das Hildesheimer Knochenhaueramtshaus, nach 1990 nicht die Dresdner Frauenkirche – ja auch nicht den Hamburger Michel, der 1906 abgebrannt oder den Campanile in Venedig, der 1902 eingestürzt war (Wiederaufbau und Neueröffnung jeweils bis 1912). Das alles sind Beispiele für Gebäude, die bis heute für das Stadtbild der genannten Städte prägend sind und deren Image entscheidend mitbestimmen. Das würde in Bad Homburg nicht anders sein.

Konnten die beiden bisherigen Nachkriegsneubauten überzeugen und zu einem Symbol für Bad Homburg werden? Offenkundig nicht, sonst wäre jetzt nicht schon der dritte Nachkriegsneubau im Gespräch. Sollte es da nicht der Experimente langsam genug sein? Sollte man nicht allein schon aus Gründen der Nachhaltigkeit auf das bewährte und nur durch Gewalteinwirkung zerstörte Konzept des historistischen Kurhauses zurückgreifen?

Welche weiteren Vorteile würde eine Rekonstruktion noch mit sich bringen?
Eine Rekonstruktion – oder ein Neubau, der sich zumindest eng an den historischen Entwurf anlehnt – hätte den großen Vorteil, dass sie/er sich gestalterischen Prinzipien und Standards verpflichtet sehen würde, die jahrhundertelang Gültigkeit hatten. Man muss Klassizismus und Neorenaissance nicht mögen, aber man wird anerkennen können, dass es vielen Architekten damals gelungen ist, die klassische Formensprache überzeugend weiterzuentwickeln. Das Wissen darum ist durch die Architekturentwicklung des 20. Jahrhunderts, die stark auf gestalterische Reduktion setzte, unter den meisten Architekten verloren gegangen. Dieses Wissen ist heute oft nur noch Restauratoren, Denkmalpflegern oder Kunsthistorikern vorbehalten.
Jeder Versuch von Architekten, ein zerstörtes historisches Bauwerk wieder zu errichten, ist also auch ein Versuch, Baukultur zu bewahren, indem man sie neu interpretiert und für die heutige Zeit und unsere heutigen Anforderungen nutzbar macht. Das ist eine förderungswerte Sache.

Das Kurhaus auf einer alten Postkarte

Eine Rekonstruktion des Bad Homburger Kurhauses wäre von überregionalem Interesse, es wäre sogar eine kleine Sensation. Denn sehr selten ist in der Geschichte der Bundesrepublik ein im Stil von Neorenaissance und Klassizismus erbautes Haus vollständig rekonstruiert worden. Solche Häuser -vor allem die der nachfolgenden Gründerzeit- wurden stets nur fleißig abgerissen oder zumindest vollständig entstuckt, weil die Bauexperten insbesondere in den 50er und 60er Jahren die Epoche des 19. Jahrhunderts fast durchweg ablehnten. Ein qualitätvoller Wiederaufbau eines solchen Gebäudes wird als ein positives Zeichen einer überregionalen Trendwende verstanden werden.

„Ja, das alte Kurhaus war schön – aber trauen wir den Architekten von heute ruhig zu, auch etwas Schönes schaffen zu können!“ so schreibt Maier in seinem Artikel weiter. Tatsächlich kommt bei zeitgenössischer Architektur aber zumeist wenig mehr heraus als die immer selben, eintönigen Kuben und gewollten „Kontraste“.

Manche Kritiker werden diese Meinung nicht teilen. Sie werden vielleicht sagen, dass Schönheit subjektiv sei und im Auge des jeweiligen Betrachters läge. Dann wäre es aber der logische Schluss, die gesamte Bevölkerung einzubeziehen. Dann wäre es logisch, zu sagen: „Liebe Bad Homburger, wir Stadträte und Bauexperten sind uns uneins, bitte stimmt deshalb ihr darüber ab, welches Aussehen euer künftiges Kurhaus haben soll!“

Die Hildesheimer, die Dresdner und die Frankfurter Bürger machen seit Jahren sehr gute Erfahrungen mit in ihrer Stadt rekonstruierten Bauwerken. Trauen Sie den Bad Homburgern von heute ruhig zu, dass es ihnen mit einem rekonstruierten Kurhaus ähnlich gehen wird.

Der Vorstand des Vereins bittet Sie daher, sich für einen Kurhaus-Neubau in Form einer Rekonstruktion oder zumindest enger Anlehnung an das historische Vorbild einzusetzen.


Mit freundlichen Grüßen

der Vorstand von Stadtbild Deutschland e.V.